Landtagswahlprogramm 2001 |
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Ökologieland Baden-Württemberg
Seit 20 Jahren sind die Grünen die treibende Kraft für den Umweltschutz. Die
Flüsse sind wieder sauberer, die Luft besser, die Müllmengen kleiner. Doch das
kann nur der Anfang sein. Wir wollen Wohlstand ohne den anhaltenden Raubbau an
der Natur, ohne die Welt unserer Kinder zu zerstören. Wir wollen Baden-Wü
rttemberg zum Motor einer ökologischen Wirtschafts- und Lebensweise machen.
Dafür haben wir uns klare Ziele gesteckt: Zum Schutz des Klimas und als Ersatz f
ür die unbeherrschbare Atomenergie wollen wir den Anteil der erneuerbaren
Energien und der Kraft-Wärme-Kopplung bis 2010 mindestens verdoppeln. Für
lebenswerte Wohnorte und umweltfreundliche Mobilität müssen Bus und Bahn besser
und billiger werden. Statt eines milliardenteuren Tunnelbahnhofs in Stuttgart
wollen wir regionale Stadtbahnsysteme finanzieren. Jeder Ort im Land muss von fr
üh bis spät mindestens im Stundentakt erreichbar sein. Wir wollen dafür sorgen,
dass in unserem Land die sparsamsten und umweltfreundlichsten Autos entwickelt,
gebaut und optimal genutzt werden.
Für gesunde Lebensmittel wollen wir die Bio-Anbauflächen von 2 % auf 10 %
vergrößern. Genmanipulierte Nahrungsmittel haben in unserem Essen nichts
verloren.
Ökologie ist eine Chance und kein Risiko für ein Hochtechnologieland. Schon
heute sorgt der Umweltschutz für 130.000 sichere Arbeitsplätze im Land ? mit uns
ist das erst der Anfang. Ökologie und Ökonomie zu verbinden ist die
Herausforderung unserer Zeit. Dafür sind wir die treibende Kraft.
Bildungsland Baden-Württemberg
Wir wollen mehr Ideen und Geld in Bildung stecken. Die Kultusbürokratie ist eine
Innovationsbremse. Die Schulen benötigen mehr Freiheit. Zum Beispiel die
Freiheit, neue Lehrerinnen und Lehrer einzustellen, die zu ihnen passen.
Aber Schule muss erst einmal stattfinden. Im letzten Schuljahr fielen 5 % des
Unterrichts aus! Jetzt, da eine Wahl ansteht und das Kind im Brunnen liegt,
versprechen alle Parteien die notwendigen Lehrerstellen. Wir haben auch eine
Finanzierung: Lieber streichen wir die Zuschüsse für den Stuttgarter Flughafen
als den Deutschunterricht!
Die "verlässliche Grundschule" ist eine Mogelpackung, weil dort Bildung und
Betreuung getrennt bleiben. Die Verlässlichkeit lässt das Land von den Kommunen
organisieren und von den Eltern bezahlen. Wir dagegen wollen fünf Zeitstunden
Lernen und Spielen für alle Kinder ohne Gebühren für die Eltern.
Die Universitäten wollen wir Grünen vom Gängelband der Ministerialbürokratie
befreien. In Tübingens Hörsälen weiß man besser, was für die Uni gut ist, als in
Stuttgarter Amtsstuben. Stellenabbau ausgerechnet an der Zukunftsschmiede
Universität? Nicht mit uns! Und definitiv keine Belastung der Studierenden durch
Gebühren. Die Strafgebühren von 1000 Mark pro Semester müssen weg. Wenn
überhaupt, dann können gut verdienende Akademiker einen Beitrag zur
Hochschulfinanzierung leisten. Bessere Studienbedingungen, mehr Bafög, mehr
Beratung, mehr Kinderbetreuung - das ist unser Weg zu schnellerem Studieren.
Kinderland Baden-Württemberg
In Baden-Württemberg sind 62 % aller Mütter berufstätig. Aber nur 3 % der
Kinder bekommen einen Ganztagesplatz im Kindergarten. Selbst in Hessen und
Bayern sind es über 20 %. In Baden-Württemberg haben nur 1,3 % der Kinder unter drei Jahren einen
Krippenplatz. Die Eltern zahlen bis zu 600 Mark im Monat, das Land nichts.
Grüne Politik denkt langfristig. Mit unserem Ökologie- und Bildungsprogramm
sorgen wir vor für morgen. Heute wollen wir ein kinderfreundliches Land - mit
mehr Spielstraßen und -plätzen, mehr Kindergeld und Teilzeitjobs, besonders aber
mit einer besseren Kinderbetreuung. Familie und Beruf müssen für Eltern, Frauen
wie Männer, vereinbar sein. Unser Land ist da leider gar nicht spitze, weil die
Regierung einseitig ihr Familienideal fördert: Mami kocht und Papi arbeitet. Das
mangelhafte Angebot für Kinder unter drei Jahren - ob Tagespflege, Krippen oder
altersgemischte Gruppen - wollen wir mit Landesmitteln stark ausweiten. Unsere
Kinder müssen mindestens so gut mit Ganztagesplätzen im Kindergarten versorgt
sein wie in Bayern und Hessen. Und wir wollen verbindliche Mindeststandards für
Gruppengrößen und Personalschlüssel, damit beides stimmt: Öffnungszeiten und
Mehr Demokratie
Mehr als 18 000 Unterschriften hat die Initiative "Mehr Demokratie"
(www.mehr-demokratie.de) im Frühjahr 2000 bei Innenminister Thomas Schäuble
abgeliefert. Volksentscheide auf Landesebene und kommunale Bürgerentscheide
sollten erheblich erleichtert werden. Das ist notwendig: Einen Volksentscheid
gab es noch nie seit der Gründung des Südweststaats; in Ihrer Gemeinde
entscheiden die Bürgerinnen und Bürger statistisch gesehen alle 181 Jahre
selbst, wo es langgehen soll. Der Grund für diese Mitwirkungsabstinenz sind
extrem hohe Zustimmungs- und Beteiligungsquoren, die der Landesgesetzgeber
vorschreibt.
CDU-Schäuble hatte kein Einsehen und wischte das von "Mehr Demokratie"
angestrebte Volksbegehren vom Tisch. Seine haarsträubende Begründung: "Mehr
Demokratie" bedeute einen verfassungswidrigen Eingriff in die
Selbstverwaltungsrechte der Kommunen. (Im Original nachzulesen als
Pressemitteilung). Was verwaltet sich da eigentlich selbst? Die
Stadtverwaltung?
Der perfide Juristentrick der CDU war vorerst erfolgreich. Von "Mehr Demokratie"
hört man nicht mehr viel. Ich meine, das muss sich in diesem Wahlkampf ändern.
Die CDU mag es störend finden, wenn die Bürgerinnen und Bürger auch zwischen den
Wahlen bestimmen, wo es langgeht. Ich fände es belebend. Das Zustimmungsquorum
von derzeit 30 % der Stimmberechtigten bei kommunalen Bürgerentscheiden muss
fallen. Ein Unterschriftenquorum von 10 % für die Einleitung eines Entscheides
reicht völlig aus, um Unsinn und Kinkerlitzchen auszusondern.
Sicher, die Ökosteuer gäbe es in ihrer heutigen Form nicht mehr, wenn sie per
Volksentscheid weggeputzt werden könnte. Und auch die Tübinger Mühlstraße wäre f
ür Autos offen, gäbe es kein Zustimmungsquorum.
Am Ergebnis alleine darf man direkt-demokratische Instrumente aber nicht messen.
Wer sollte den Maßstab für richtig oder falsch definieren? Mehr Demokratie
entsteht durch mehr Diskussion und Partizipation - und dafür brauchen wir mehr
Mitwirkungsrechte. Der landespolitische Honoratiorenklüngel in Baden-Württemberg
ist bestenfalls noch eine Demokratiesimulation einer oligarchischen Elite. Den
aufzuwirbeln wäre alleine schon Grund genug für mehr direkte Demokratie. Und die
Ökosteuer könnten wir Grüne ja auch besser konstruieren und erklären, statt uns
mit ihrer Unbeliebtheit abzufinden...
Hochstapler Walter
"Ein Hoch namens Walter" plakatierte die FDP im ziemlich verregneten Hochsommer an
vielen Bahnhöfen im Land. Das forderte eine kurzzeitige Sachbeschädigung geradezu heraus.
Gemeinsam mit den jungen Landtagskandidatinnen Özlem Isfendiyar aus dem Nachbarwahlkreis
Reutlingen und Brigitte Lösch aus Stuttgart verfremdete ich die Botschaft leicht.
Richtig musste es natürlich heißen: "Ein Hochstapler namens Walter".
Die Sonne hat Walter nämliche bislang nur als Plakat- aber nicht als Energieträger
entdeckt. Seinen vollmundigen Ankündigungen zur Förderung der regenerativen
Energien sind keine Taten gefolgt. Baden-Württemberg hat die Förderung der
erneuerbaren Energien in den letzten Jahren drastisch zurückgefahren und nun
mit Bremen und Berlin die rote Laterne übernommen. In NRW stehen pro Jahr 100
Millionen DM, in Bayern 75 Millionen und in Baden-Württemberg nur 5 Millionen DM
für erneuerbare Energien im Haushalt bereit. Damit überlässt das Land die
Arbeitsplätze der Zukunft in der mittelständischen Energiewirtschaft den Bayern
und dem Ruhrpott.
Ob es nun um die erneuerbaren Energien, die Neuordnung der Landesplanung oder
regionale Wirtschaftsförderung geht, Walter Döring hat viel angekündigt
und wenig verwirklicht - ein klassischer Hochstapler.
Erwin ist out
Das witzigste Bild des letzten Jahres hat für mich die Arena of Sound (SWR3-Open Air)
auf dem Stuttgarter Schlossplatz geliefert: Erwin Teufel mit rückwärtsgedrehter
Baseballmütze neben Mathias Holtmann. Ähnliche Ausschläge auf der nach unten
offenen Skala für unfreiwillige Komik bot nur noch Teufels Auftritt bei
Christiansen, als er Volksentscheide für das Scheitern der Weimarer Republik
verantwortlich machte.
Nun macht man über gesetzte ältere Herren selbstverständlich keine Witze. Bei
Erwin reicht die Realität völlig aus: Kaum hatte er die Baseballmütze abgelegt,
stand die Steuerreform im Bundesrat zur Abstimmung. Am Vorabend ging Erwin zu
früh zu Bett und schlief den Schlaf des Ahnungslosen, während der Kanzler mit
den CDU-Ländern verhandelte. Dummerweise stand Erwin auch zu früh auf, und verkündete
im Morgenmagazin, die CDU-Front gegen die Steuerreform stehe geschlossen. Wenige
Stunden später stand aber nur Erwins trotziges Nein zu 45 Milliarden Steuerentlastung.
Einen baden-württembergischen Sonderweg wollte Erwin auch beim Atomausstieg gehen.
Der Vertrag war bereits abgesegnet, da wollte er im Aufsichtsrat der EnBW die
baden-württembergischen Relikte des Atomzeitalters konservieren. Die zwei
Stimmen der Landesregierung blieben die einzigen gegen den Ausstiegsvertrag.
Ede Stoiber ist nun wirklich nicht mein Freund. Aber gegen den nahezu
gleichaltrigen Erwin ist er ein Bündel an Energie, Durchsetzungskraft und
Vitalität. Erwin hat seine Pension sicher redlich verdient. Doch leider hat
der CDU-Kreisverband Stuttgart samt Staatsminister die Forderung zurückgezogen,
Ministerpräsidenten mit einer Restlaufzeit zu versehen. Nach zehn Jahren sollte
Schluss sein. Nun kann Erwin nur noch bei der Landtagswahl pensioniert werden -
geben Sie ihm die Chance und Ihre Stimme an Bündnis/90 Die Grünen.
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